Bürgerentscheid einstimmig beschlossen


In seiner Sondersitzung vom 23.03.2017 hat der Ortsgemeinderat Lustadt einstimmig beschlossen, am 24.09.2017 (Tag der Wahl zum Deutschen Bundestag) einen Bürgerentscheid durchzuführen.

Gegenstand des Bürgerentscheides ist die Vorbereitung und der Bau eines Tiefengeothermiekraftwerks im Gemarkungsbereich der Ortsgemeinde Lustadt.

Die Auffassung des Ortsgemeinderates Lustadt zum Bürgerentscheid:

Der Ortsgemeinderat Lustadt hat erhebliche Bedenken bezüglich der Errichtung eines Geothermie-Kraftwerkes auf Lustadter Gemarkung auf Grund der folgenden Aspekte:

  • Das Vorhaben wird trotz der negativen Erfahrungen von Landau, Insheim und Basel ganz bewusst im Oberrheingraben geplant. In diesem Gebiet besteht eine erhöhte Seismizität und es kommt – auch ohne Geothermie – schon zu vielen, oft unbemerkten, kleinen Beben. Durch das Verpressen von Wasser unter hohem Druck in die Tiefe wird die Seismizität angeregt. Wir befürchten, dass es zu stärkeren, unkontrollierbaren Erdbeben kommt.
  • Bei dem geförderten Thermalwasser handelt es sich um eine aggressive wasserähnliche Flüssigkeit mit dem pH-Wert einer mittelstarken Säure. Außerdem ist die natürliche Radioaktivität dieses Thermalwassers belegt.Gefahren für die Umwelt im Allgemeinen und das Grundwasser im Speziellen  – gerade im Trinkwassereinzugsgebiet – können nicht ausgeschlossen werden. Faktoren wie menschliches Versagen, Materialdefizite, Verschleiß und andere Störfälle können zu einem unkontrollierten Austritt des Thermalwassers und einer Schädigung der Umwelt für einen nicht abschätzbaren Zeitraum führen.
  • In der Tiefen Geothermie ist von der Injektionsbohrung und der Rückführung des hochgepumpten Wassers mit chemischen Zusätzen, sogenannten Inhibitoren die Rede. Dies findet mit einem Druck von 50-100 bar statt, was gesteinszerstörend bzw. –aufbrechend ist und als „Stimulation“ bezeichnet wird. Unserer Meinung nach handelt es sich hierbei um das in Deutschland verbotene Fracking.
  • Die Anlage soll in einem FFH-Gebiet entstehen. FFH-Gebiete sind spezielle europäische Schutzgebiete in Natur- und Landschaftsschutz, die nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesen wurden und dem Schutz von Pflanzen (Flora), Tieren (Fauna) und Habitaten (Lebensraumtypen) dienen. Durch den Anlagenstandort im Wald befürchten wir irreparable Schäden für diesen unseren Wald mit seinen Pflanzen und Tieren.
  • Um den an sich sehr geringen Wirkungsgrad (maximal 12 Prozent bei reiner Stromproduktion) einer solchen Anlage zu steigern, wird ein wärmegeführter Betrieb mit einem angeschlossenen Fernwärmenetz angestrebt. Hierfür gibt es bisher keine Infrastruktur. Es muss zusätzlich zum Stromnetz auch ein Fernwärmenetz entstehen und quer durch Wald, Felder und Wiesen verlegt bzw. eingegraben werden. Der ökologische und wirtschaftliche Nutzen wird in Frage gestellt.
  • Es wird Thermalwasser in 2500 – 3500 m Tiefe erwartet. Diese Vermutung kann nur durch zwei entsprechende Bohrungen—eine zur Entnahme des Thermalwassers und eine zur Rückführung – überprüft werden. Hierbei handelt es sich nicht um Probebohrungen. Trotz der positiven Vorhersagen mittels 3D-Seismik gab es erfolglose Bohrversuche in mehreren Gemeinden des Oberrheingrabens. Deshalb haben wir Bedenken bezüglich des Vorgehens, eines eventuellen Rückbaus und einer ausreichenden Haftung bei erfolglosen Bohrungen.
  • Während eine Dampfturbine Strom mit einem relativ hohen Wirkungsgrad direkt aus dem Wasserdampf erzeugt, kann das Thermalwasser nicht selbst zur Stromerzeugung genutzt werden, da die Temperatur hierfür zu niedrig ist. Die sogenannten Transmitter, d.h. die wärmeübertragenden Medien zur Stromerzeugung, sind leicht entzündlich und im Störungsfall umweltschädlich.
  • Die Pumpen und Kühlsysteme sollen mit zugekauftem günstigen Strom (z.T. aus fossilen und atomaren Brennstoffen) betrieben werden. Der erzeugte Strom dagegen soll auf Basis der Förderung durch das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) zu einem vielfachen Preis in das noch nicht vorhandene Netz eingespeist werden. Dies verringert die Klimabilanz einer solchen Anlage erheblich. Dies stellt die Bezeichnung „regenerative Energie“ in Frage.
  • Wir befürchten im Falle eines Störfalles oder eines Erdbebens keinen ausreichenden Versicherungsschutz für sämtliche Immobilien in dem betroffenen Gebiet mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen für unsere Bürgerinnen und Bürger.

Die Auffassung des Ortsbürgermeisters zum Bürgerentscheid:

Der Ortsbürgermeister schließt sich der Auffassung des Ortsgemeinderates vollinhaltlich an.